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Mühlenkreis Minden-Lübbecke

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16.03.2023

Kurz nachgefragt -Bildung entdecken

Lars Schulz vom Life House/JFK Stemwede e.V.  im Interview mit dem Bildungsbüro

 

 

Wenn man mit jungen Menschen arbeitet, kennt man die aktuellen Trends und weiß, was "angesagt" ist. Was macht für Sie die Arbeit mit jungen Menschen so besonders?  

 Die Arbeit mit jungen Menschen ist nie langweilig, bietet immer neue Anregungen und öffnet einem selbst den Horizont. Es tut gut, immer wieder vor neuen Herausforderungen zu stehen und zu merken, dass es nicht ausreicht, das, was man vor Jahrzehnten gelernt hat, immer wieder anzuwenden. Jugendarbeit ist nie der einfache Weg und das macht ihn so spannend.

Mir gefällt, dass wir vom Prinzip her ein Ermöglichungsraum sind. Hier ist so Vieles möglich, was Kinder und Jugendliche an Aktionen und Hobbys vorhaben. Und ja – manchmal sind das auch genau dieselben Hobbys, die man selber hat.
Ich freue mich über jede/n Mitarbeiter*in, der/die für etwas brennt und sich mit seinen/ihren Kompetenzen oder seinem/ihrem Hobby einbringt. Gartenarbeit, Sport machen oder auch mal Klettern gehen... Das ist doch toll, dass wir so etwas bei unserer Arbeit machen können.

Vor Kurzem waren wir mit Jugendlichen im Stadion von Arminia Bielefeld. Sie waren vorher noch nie in einem Stadion und waren total begeistert. Für die zweite Halbzeit bin ich mit einem Jungen in den Stehblock gegangen – seine Blicke und wie er nachher davon erzählt hat, waren unbezahlbar. Für ihn hat sich eine neue Welt eröffnet.
Oder wenn ich an eine ehemalige Hauptschülerin denke, die für uns mal eine Elefantenrunde zur Bundestagswahl moderiert hat. Viele Jahre später war sie dann im Fernsehen bei der ARD-Wahlarena und hat Martin Schulz, dem damaligen Kanzlerkandidaten, eine Frage gestellt. Im Zeitungsinterview danach sagte sie, durch unsere Elefantenrunde hat sie angefangen, sich für Politik zu interessieren und dadurch, dass sie damals moderieren durfte, hat sie sich getraut eine Frage zu stellen. Das sind doch unglaublich tolle Momente, in denen man merkt, was man mit seiner Arbeit im Kleinen und dann doch auch im Großen bewegen kann.

Nelson Mandela sagte einst: "Bildung ist die mächtigste Waffe, um die Welt zu verändern." Was hat Jugendarbeit mit Bildung zu tun und wie beurteilen Sie die Rolle der Jugendarbeit im Rahmen der außerschulischen Bildung?

Viel mehr als manche Menschen denken. Für sie geschieht Bildung nur in der Schule. Meiner Meinung nach geschieht Lernen überall: im Freundeskreis, mit den Eltern und Verwandten, im Sportverein und eben auch in der offenen Kinder- und Jugendarbeit.
Bei uns ist Scheitern erlaubt, wo gibt es das in der heutigen Zeit noch? Es kann sogar sein, dass etwas überhaupt nicht klappt und es trotzdem erfolgreich ist. Die Jugendarbeit ist sehr demokratisch. Hier können, dürfen, ja müssen Kinder viel mitentscheiden und Verantwortung übernehmen. Partizipation wird bei uns gelebt. Damit übernehmen wir auch eine wichtige Aufgabe in unserer Demokratie: Es total wichtig, dass man früh damit anfängt, sich einzubringen und zu erfahren, was es bedeutet mit entscheiden zu können. Dabei ist es natürlich auch wichtig, zu merken das Partizipation kein Wunschkonzert ist, sondern auch eigene Anstrengungen beinhaltet. Hier in der Jugendarbeit lernen Kinder und Jugendliche früh, dass nicht jeder Wunsch in Erfüllung geht und es manchmal auch andere Mehrheiten gibt. Dabei gehört es auch dazu, wichtige Sozialkompetenzen zu erarbeiten, das kann bei uns auch mal über das Thema "Reibung" laufen. Wir nehmen uns die Zeit, auch mal Streitigkeiten auszutragen. Wenn Kinder und Jugendliche erfahren, dass man den Streit vom Persönlichen trennt, ist das immer ein toller Moment. Dabei lernen sie wirklich viel!
Ein großer Vorteil der Jugendarbeit ist, dass wir die Kinder und Jugendlichen da abholen, wo sie sind und dann begleiten. Wir haben bei uns ganz viele Jungen und Mädchen, die tolle Kompetenzen haben und ein besonderes Fachwissen. Das hilft Ihnen aber in den klassischen Unterrichtsfächern in der Schule nicht weiter, wenn es dort beispielsweise nicht darum geht, zu wissen welche Gemüsesorten es gibt, wie man einen Roller repariert oder so etwas. Die Jugendarbeit bietet dafür den Raum.
Also man sieht, dass es viele Rädchen bei der Bildung gibt neben der Schule – und die Jugendarbeit ist ein wichtiges Rädchen im ganzen System. Gute Bildung gibt es nur, wenn alle gleichberechtigt und möglichst Hand in Hand arbeiten – das sehen aber nicht immer alle Beteiligten so.

Zu Coronahochzeiten ging es viel um Distanz: Distanzlernen, Distanzunterricht, Abstandsregeln.... Wie sieht es mit Jugendarbeit auf Distanz aus? Kann das funktionieren?

Jugendarbeit funktioniert immer! Und gerade in der Coronazeit haben das die vielen Aktiven hier im Mühlenkreis gezeigt. Wir waren zusammen mit der Stadt Köln ein wichtiger Ort, auf den Fachkräfte aus dem ganzen Land geschaut haben. Da haben die Kolleginnen und Kollegen viel geleistet.
Allerdings ist es nicht so, dass man einfach die analoge Arbeit ins Internet bringt und dann läuft alles weiter. Dafür braucht es eigene Kompetenzen und eigene Arbeitsweisen. Das haben wir alles in unserer Ausbildung nicht gelernt. Das ist so, als wenn man früher einem Kutschenbauer gesagt hätte: "So ab morgen baust du Autos, die fahren ja auch. Du wirst das mit den Motoren schon hin bekommen!". Das geht so einfach natürlich nicht. Und so ist es auch mit Bildung, Beziehungsarbeit und Angeboten, die digital laufen. Da haben viele Menschen Tolles geleistet, aber jetzt ist es an der Zeit, dafür Rahmenbedingungen zu schaffen und Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
Zusammen mit Kolleginnen im Kreis Herford hatten wir während der Coronazeit die Idee, ein zusätzlichen digitales Jugendhaus zu schaffen für beide Kreise - mit eigenen Fachkräften, eigenen Angeboten und dem Ansatz, die Kolleg*innen in den Häusern zu schulen und fortzubilden. Daraus ist leider nichts geworden.

Pandemie, Klimawandel, Energiekrise und Krieg. Man spricht auch von der Generation "Krise im Dauermodus". Was bedeutet das für die Jugendarbeit?

Sagen wir es mal so: Jede Generation hat ihre Krisen und das ist auch gut so. Es braucht Dinge, an denen man sich reiben kann, worüber sich junge Menschen aufregen können und an denen sie wachsen können. In meiner Erfahrung waren die Jugendlichen in den vergangenen Jahren sehr unpolitisch. Niemand wollte anecken und sie wollten möglichst schnell und möglichst mit guten Noten durch die Schulzeit kommen. Sie hatten Angst, sonst keine Chancen mehr zu haben. Ich finde es gut, dass sich daran jetzt etwas geändert hat. Wir "Alten" sollten froh sein über eine junge Generation, die verändern möchte, die kritisiert und etwas bewegen möchte. Diese Freiräume, die sie erobern, bringen auch langfristig die älteren Menschen voran!

Frei nach dem Motto "Alles ist möglich!" - Was sind Ihre Wünsche für die Jugendarbeit der Zukunft und was braucht es dafür?

Nur zwei Dinge: Wertschätzung und Gleichberechtigung! Auf manche Fragen muss man sehr kurz antworten, damit die Botschaft bei der Politik, den Verwaltungen, den Schulen und in der Gesellschaft ankommt!


Zur Person:

Lars Schulz ist Diplom-Sozialpädagoge und pädagogischer Leiter im Life House. Er ist seit 2001 im Life House tätig. Träger der Einrichtung ist der JFK Stemwede e.V., der neben Offener Kinder- und Jugendarbeit auch Bildungs-, Kultur- und Flüchtlingsarbeit durchführt.

Das Interview führte Alessandra Kröger aus der Arbeitsgruppe "Kommunale Koordnierung und Bildung".

 
Quelle Bild 1: Pixabay
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